Die Eggentaler Strasse, ein wahres Meisterwerk der Baukunst.

Ein Tal wird mobil.

Abschrift aus dem Eggental Magerzine e.ma 2010.  Deutschnofen, Karneid, Welschnofen.
Zur Ausgabe Null schreibt Herr Othmar Seehauser, Fotograf und Publizist aus Bozen, diese Danksagung:

Zugegeben. Es mag keine große Idee sein, weil es ja sozusagen auf der Hand liegt und sich von selbst anbietet. Die drei Gemeinden Deutschnofen, Karneid und Welschnofen (um in der alphabetischenReihenfolge zu bleiben) bemühen sich seit Jahren und auf den verschiedensten Ebenen erfolgreich um eine gute Zusammenarbeit.

Ganz im Sinne von „gemeinsam können wir mehr bewegen“, entstand so nach und nach ein neues Bewusstsein für das Tal – das Eggental eben – zu dem man sich auch zugehörig fühlen kann. Wir haben nur den fehlenden i-Punkt aufgesetzt und versucht, diesem Zuhehörigkeitsgefühl einen Namen und eine Form zu geben. E.ma – Das Eggental Magazin. Gemachet für alle Interessierten um Tal, aber natürlich auch weit darüber hinaus. Informativ, kurios und spannend wollen wir sein und immer dann erscheinen, wenn im Eggental eine neue Initiative oder ein Schwerpunktthema von allgemeinem Interesse ansteht.

Für diese Nummer haben wir den runden Geburtstag der Eggentaler Straße zum Hauptthema gewählt. 150 Jahre sind es und der ganze Oktober steht im Eggental im Zeichen dieses wichtigen Ereignisses.

Wir sind für Sie der Geschichte dieser Straße nachgegangen, haben Sie aufgearbeitet und versucht zu dokumentieren.
Das Wissen um diese Straße haben wir zum Großteil dem in Welschnofen als Sohn des Geigerhofes geborenen und später in Bozen lebenden Schuldirektor Ignaz Kirchner, Geiger-Naz, (1912-1995) zu verdanken.

So groß seine Begeisterung als Lokalhistoriker war, so dünn gesät sind leider seine Veröffentlichungen. 1975 erschien im „Schlern“ Nr. 49 zum ersten Mal sein ausfühlicher Rückblick über die Geschichte „Fremdenverkehr und Handwerk in Welschnofen nach dem Bau der Eggentaler Straße „. Auf diesem recht detailliert gehaltenen Text basieren alle weiteren Geschichtsschreibungen zur Eggentaler Straße.

Wir haben diesen Text für sie wieder herausgssucht und ihn in seiner Originalfassung abgedruckt.

Welschnofen war vor 150 Jahren dank der neuen Straße plötzlich mit dem Rest der Welt verbunden. Wie sah es aber in den anderen Orten des Eggentals aus, haben wir uns gefragt. Gab es damals auch schon Verbindungen von Birchabruck nach Eggen und Obereggen nach Deutschnofen-Petersberg oder zum Lavazjéjoch?

Und wie sah es auf der Seite von Karneid, Steinegg, Gummer aus? Bei der Beantwortung dieser Frage war uns Hans Mahlknecht, Altbüprgermeister der Gemeinde Karneid behilflich. Es sei ihm hiermit gedankt.

Herbert Pichler aus Deutschnofen ist für uns im Gemeindearchiv von Deutschnofen und in der Tessmannbibliothek dieser Frage nachgegangen. Er hat Gespräche  mit den Dorfältesten geführt und uns seine Erkenntnisse zur Verfügung gestellt. Dank auch an ihm.

Jul Bruno Laner, Buchautor und Dramaturg, hat sich bereits seit vielen Jahren unter den verschiedensten Gesichtspunkten mit dem Eggental beschäftigt. Gemeinsam haben wir, im In- und Ausland, verschiedene Eggental-Reportagen veröffentlicht.

Bruna del Lago Veneri, Bozner Publizistin und Autorin von zahlreichen Büchern über Geschichte, Mythologie und die Sagenwelten der Dolomiten, hat ihren zweiten Wohnsitz inVigo di Fassa und kennt damit sozusagen jeden Stein und jede Kurve der Eggentalerstraße. Auch sie haben wir um einen Beitrag gebeten, den wir Ihnen in Originalfassung, d.h. in Italienisch anbieten. (nur im Magazin, Anm. d. Schreibers)
Außerdem konnten wir zwei Journalistinnen, Alexa Belutti und Nicole Dominique Steiner für Beiträge gewinnen.
Maria Gufler
hat uns einen Text zur Initiative „Gesundheit“ zur Verfügung gestellt.

Keine andere Straße in Südtirol ist so umfangreich bebildert und fotografiert worden wie die Straße durch die Eggentaler Schlucht. Zuerst gab es Radierungen und gemalte Werke, dann kam die Fotografie. Ab den 1890er Jahren entstand sehr viel historisches Bildmaterial, auf der Platte verewigt von verschiedenen Fotografen aus Wien, Benisch und der Schweiz. Von Leo Bährendt aus Meran, Ghedina aus Cortina oder Pedrotti aus Bozen. Seit 1909 erschien eine Publikation nach der anderen über die Dolomiten, in fast jeder finden sich Darstellungen der Eggentaler Schlucht.

Der bekannte Sammler Arnaldo Loner aus Bozen hat uns für unsere historische Reise, Radierungen vom Eggental mit dem Karneider Schloss sowie eine Schweizer Fotosammlung von hoher fortgrafischer Qualität zu  Verfügung gestellt. Im Rathaus der Gemeinde Karneid, in Kardaun hängen einige wunderschöne Darstellungen der Schlucht, die wir ebenfalls nutzen durften.

Ebenso wie eine von der Gemeinde Welschnofen erst vor wenigen Jahren erworbene Fotosammlung über die Eggentaler Straße von Paul Fischnaller. Hunderte Postkartenmotive, die meisten davon handkoloriert sowie Negative auf  Glasplatten aus der Zeit des ersten Weltkrieges.

In Eggen wurden wir auch fündig. Pfarrer Pohl hütet historisches Material und Motive von Transport und Straßenbau in Birchabruck. Frau Rita Pichler vom Gasthaus Wagger hat uns ebenfalls historische Fotos zur Verfügung gestellt. Auch ihnen sei für die freundliche Unterstützung gedankt.

Bleibt mir nur noch, Ihnen eine entspannte und interessante Lektüre zu wünschen, eine angenehme Reise in die Vergangenheit und eine Bestandsaufnahme der Gegenwart anhand vonTexten und Bildern.

Ihr Othmar Seehauser
www.seehauserfoto.com

Grußworte der Bürgermeister

Bevor die Straße durch die wilde Eggentaler Schlucht gebaut wurde, mussten die Bewohner der Gemeinden Karneid und Welschnofen die alten Verbindungswege über Gummer, Steinegg, Karneid benutzen. Die Bürger der Gemeinde Deutschnofen gelangten über das Brandental in ihre Heimatgemeinde.

Bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war man daher bemüht, diese Umwege zu verkürzen und setzte sich für den Bau einer Straße ein, die der Talsohle des Eggentales entlang verlaufen sollte. 1859 war es soweit: Der schwierige Straßenbau wurde in Angriff genommen und erstaunlicher weise nach achtmonatiger Bauzeit fertiggestellt.

Für die Gemeinden Karneid, Deutschnofen und Welschnofen, für die örtliche Bevölkerung und Wirtschaft eine großartige Aufwertung und eine wichtige Infrastruktur, welche die direkte Anbindung an Südtirols Landshauptstadt und an die Nord-Süd-Hauptverbindungen garantiert.

Dank der positiven Zusammenarbeit der drei Gemeinden untereinander konnte dies für die Entwicklung der Dörfer des Eggentales so wichtige Verbindungslinie gebaut werden.

Es ist uns ein besonderes Anliegen, uns auch weiterhin für die sichere und bequeme Erreichbarkeit der Ortschaften des Eggentales einzusetzen und damit Standortattradtivität für die Bevölkerung, für den Tourismus und für die Wirtschaft zu garantieren.

Die Bürgermeister
Markus Dejori               Albin Kofler           Bernhard Daum
Gem. Welschnofen        Gem.   Karneid     Gem.  Deutschnofen

Sie bekommen die Ausgabe Null von e.ma , 150 Jahre Eggentaler Straße in den Tourismusbüros.

Ihre Gassermüllners

Die Geschiche der Eggentaler Straße.

Einleitung

Wenn heute vom Bau einer Straße die Rede ist, erheben sich sofort Proteste. Meist aus verständlichen Gründen. Die Eggentalerstraße – ebenso die Straße nach Deutschnofen oder die nach Steinegg – waren hingegen notwendig, Ja Lebensnotwendig. Welche Bedeutung diesem Straßenbau auch noch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts beigemessen wurde, wie verwurzelt die Erfahrung des Abgeschnittnseins auch noch in den Nachkommen der Eggentaler verhaftet blieb, zeigt dieser historische Text, den wir  nachstehend wiedergeben.

Aus der Abgeschiedenheit zur Moderne.
Da die Welschnofner seit eh und je durch ihre Abgeschiedenheit wirtschaftlich auf sich selbst angewiesen waren und mit dem Gerichte, der Kirche und der späteren Gemeinde Karneid nur wenig Kontakt hatten, machte sich bald nach der Einverleibung des Gerichts Karneid in das Landgericht Bozen das Bestreben bemerkbar, eine selbständige Gemeinde zu bilden.

Welschnofen hatte aber noch keine direkte Verbindung mit Bozen, und die Behörden hatten für das Ansuchen um Lostrennung taube Ohren; die Landesregierung stellte diese mit dem Bau einer Zufahrtsstraße in Aussicht. Nach langwierigen Verhandlungen mit den interessierten Gemeinden, den Vietel, der Stadt Bozen und den Behörden wurde endlich der Straßenbau in Angriff genommen und 1860 fertiggestellt.
Am 20. Dezember fuhr der erste Stellwagen (Fuhrwerk A.d.R.) durch das Eggental. Den Straßenbau leitete Ing. Schweighofer; die Baukosten beliefen sich auf 140.000 Kronen, die von den beteiligten Gemeinden aufgebracht werden mussten. Diese erhielten dafür das Recht der Mauterhebung, mussten aber bald weitere 100.000 Kronen für Ausbesserungsarbeiten zahlen. Obwohl die Straße nur 21 Km lang ist, erscheinen diese hohen Kosten doch erklärlich, wenn man bedenkt, dass ausgedehnte Sprengungen und zahlreiche Brückenbauten notwendig waren.  Während der alte Weg sich über Karneid und hoch am Hange des Gummerer Berges hinzog, verlief die neue Straße tief unten zwischen drohenden Porphyrwänden.

Die Eröffnung der Eggentaler Straße bedeutete für die Anrainer, ganz besonders aber für Welschnofen, den Anspruch einer neuen Zeit, die die althergebrachten, seit Jahrhunderten geltenden Lebensgewohnheiten und Lebensformen langsam, aber grundlegend veränderte.
Zehn Jahr nach der Eröffnung der Straße wurde auch die Lostrennung des Viertels Welschnofen von der Muttergemeinde Karneid vollzogen. Die Vollzugsurkunde des Tiroler Guberniums (Landesgegierung) stammt aus dem Jahre 1869, während die selbständige Verwaltung 1870 tätig wurde. Der erste Vorsteher (Bürgemeister) der Gemeinde war Alois Plank, Weidmann.
Die Gemeinde Karneid, bzw. deren Viertel Gummer, Steinegg und Karneid waren mit der Lostrennung nicht recht einverstanden; sie fürchteten eine Beeinträchtigung ihrer alten,verbrieften Wald-, Weide- und Nutzungsrechte. Dafür wurde der Gemeinde Karneid 180 Hektar Wald zugeteilt und allen3 Fraktionen die Rechte bestätigt, die Henrich von Lichtenstein als Gerichtsinhaber und Kommissar des Landesherrn ihnen 1489 zugesprochen hatte, nämlich den Mittgenuss der Alpen und Weiden zu Piol, Tschein, Lapmor,Tschaglun „und in allen anderen Enden, wie sie im Gericht vorkommen“.

Bald stellte sich heraus, dass die neu erbaute Eggentalerstraße eine Sacksgasse bildete. Obwohl der Übergang  über den Karerpass uralt ist, führten damals nur schlechte Wege hinüber ins Fassatal; und doch bestanden rege Beziehngen zwischen den abgelegenen Dolomitental und dem Eggental, sowie Bozen. Von dem lebhaften und verständlichen Wunsch beseelt, diesem Übelstand abzuhelfen, beschloss man, die Regierung in Wien zum Bau einer verbindenden Straße zu veranlassen. Eine Abordnung von Vorstehern begab sich im Jahre 1874 nach Wien und brachte die erwähnte Bitte vor, wobei auch auf die große Bedeutung des Fremdenverkehrs, dessen erste Anzeichen sich bemerkbar machte, für jene armen Dolomitentäler hingewiesen wurde. Die Regierung zeigte sich nicht abgeneigt, den Wünschen der Eggentaler und Fassaner entgegenzukommen, und beauftragte die Behördenvon Bozen und Cavalese, sämtliche Interessenten zur Zeichnung von Beiträgen aufzufordern. Die Stadt Bozen bewilligte selbst den Betrag von 10.000 Kronen, irgendeine sonstige Unterstützung konnte trotzlangwieriger Bemühungen nicht aufgebracht werden, denn die Berggemeinden beriefen sich auf die überass missliche Lage und verweigerten hartnäckig jeden Beitrag. Für Welschenofen war da nicht zu verwundern, denn die Gemeinde hatte an den schweren Opfern für die Egentalerstraße noch reichlich zu tragen. Diese Schwierigkeiten bewogen die Regierung, das Projekt einstweilen „ad acta“ zu legen.

Den Bauern war es nunmehr möglich ihre Erzeugnisse leichter abzusetzen. Es kam Geeld ins Dorf. Neue Sägewerke entstanden , soger eine Zündholzfabrik wurde in Betrieb gesetzt, die allerdings bereits 1904 ihre Arbeit einstellte. Einen starken Rückschlag erlitt Welschnofen, wie überigens viele andere Gemeinden und Talschaften auch, durch die Hochwasserkatastrophe 1881. Fünf Häuser, mehrere Sägewerke und Mühlen, sowie viel Kulturgrund wurden von den wilden Fluten weggerissen.

Auch manche Errungenschaften der Tecnik fanden allmählich Eingang bei den Bauern. In den achtziger Jahren wurden zum ersten Male Petroleumlampen verwendetr. Bis jetzt kannte man für den Hausgebrauch nur Unschlittkerzen (aus Rinderfett produzierte Kerzen) Anm.d.Red., Öllichter oder Kienspäne. Wachskerzen waren teuer und wurden nur für religiöse Zwecke vewendet.

Mit dem zunehmendenFremdenverkehr machte sich der Mangel der Fahrstraße über den wichtigen Karerpass immer unangenehmer bemerkbar. Endlich im Jahre 1891 , wandten sich die Berggemeinden an die Sektion Bozen des D.u.Ö. Alpenvereins (Deutscher und Österreichischer Alpenverein) und baten um derenVermittlung. Der  Obmann der Sektion, Alois Wachtler, nahm sich der Sache wärmstens an und wusste auch die Sektion Meran dafür zu gewinnen. Man vereinbarte ein gemeinsames Vorgehen. Die zwei Sektionen zeichneten zusammen einen Beitrag von 1.000 Kronen und bemühten sich nicht nur auf die Behörden zu unsten des Projektes einzuwirken, sondern auch die Interessenten zur Bewilligung von Zuschüssen zu veranlassen, was diesmal auch meistens gelang. Als endlich Zeichnungen im Gesamtwert von 60.000 Kronen gemacht worden waren, wobei die Unterstützung des Landes nicht inbegriffen war, entschloss sich die Reichsregierung, den Bau einer ärarischen Kunststraße (staatliche, befestigte Straße, Anm.d.Red.) von Birchabruck über den Karrerpass nach Vigo di Fassa in Angriff zu nehmen. Mit Schreiben des Landeshauptmannes Graf Brandies vom 9.April 1893 wird der Gemeindevorsteher Welschnofens der Beschluss des Landesausschusses über die Einreihung -“ der von Welschnofen nach Vigo di Fassa über den Costalungapaß zu erbauende Straße“ – zur Kenntnis gebracht. Mit dem Bau wurde im Frühjahr 1894 begonnen und im September 1896 gegen Ende der Reisezeit fertiggestellt. Mit der Instandhaltung und Pflege der Staaße wurde ein Komitee betraut, welches aus 5 Mitgliedern bestand, zun zwar aus den jeweiligenVorstehern der Gemeinden Welschnofen und Viege di Fassa, dem jeweiligen Präsidenten der Generlgemeinde Fleimstal, dem Fraktionsvorsteher von St. Nikolaus / Eggen und dem Vertreter der k. k.-Forstdirektion. Für die Welschnofen-Eggentaler-Straße wurde ein eigenes Komitee geildet.

Gleichzeitig mit dem Bau der Straße Welschnofen-Vigo di Fassa wurde auch das Karerseehotel errichtet, das 1896 eröffnet wurde. Weitblickende Bewunderer der Naturschönheiten des Karerseegebietes und der Dolomiten überhaupt, schlossen sich zusammen und gründeten „die Vereinigung der Alpenhotels“ , der auch das Karerseehotel angehörte. Die treibenden Kräfte bei der Erschließung dieser einmalig schönen Bergwelt waren, der damalige Obmann des D.u.Ö . Alpenvereins Sektion Bozen, Alois Wachtler, der Obmann der Sektion Meran, Theodor Christomanos, und der „Schlernvater“ Johann Santner. Christomanos war es auch, der zusammen mit dem Kunstmaler Alois Platz und dem Führer Anton Dejori aus Welschnofen als erster den Fensterleturm bestieg. „Diese Schwärmer“ , wie sie vielfach genannt wurden, hatten bereits Pläne entwickelt, die weit über die Absichten, ja über die Ahnungen der Regierung und über die kühnsten Erwatungen der beteiligten Gemeinden hinausgingen. Sie träumten von nicht geringerem als von der Schaffung eines Straßenzugs „quer durch die Dolomiten“. Bozen sollte nicht nur mit Fassa sondern über den 2.250 m hohen Pordoijoch und über den 2.107 m hohen Falzaregopass auch gleich mit Cortina verbunden werden. Sie wurden in ihren hochfliegenden Plänen von Baron Rotzky, Sektionschef im Österreichischen Ministerium des Inneren, Graf Merveldt, Statthalter von Tiol, dem pensionierten Gerneral Neuwirth und dem Ing. Riehl unterstützt. Natürlich mögen die strategischen Erwägungen , fast parallel zur österreichisch-italienischen Grenze eine  Straße durch die  unzugänglichen Dolomiten zu bauen, auch stark mit ins Gewicht gefallen sein. Der Bau der „Großen Dolomitenstraße“ wurde durch technische, bürokratische und finanzielle Schwierigkeiten immer wieder unterbrochen und erst im Spätsommer 1909 vollendet.

Die Erbauung des Karersehotels war nicht nur ein gutes Geschäft für die Aktionäre, sondern war auch von entscheidender Bedautung für die weitere Entwicklung Welschnofens als Fremdenverkehrsort. Im Jahre 1897 vom 10. August bis 15. September, nahm soger die österreichische Kaiserin Elisabeth dort ihren Kuraufenthalt. Am 15. August 1910 brannte das Karerseehotel völlig aus; 1912 wurde es größer und schöner wieder eingeweiht.

Die ersten Fremden die Welschnofen als Gäste besuchten, waren vor allem Alpinisten, Bewunderer der herrlichen Alpenwelt. Unter anderem ist besonders C. G. Tucket und I. H. Carson zu erwähnen. Erster besprach dann im „Alpine Journal“ den Rosengarten, über welchen bisher so gut wie nichts veröffentlicht worden war. Er trug viel dazu bei, andere Bergfreunde auf das Gebiet aufmerksam zu machen.

Mit der Eröffnung des Karerseehotels und der Karerpaßstraße wurde 1896 auch ein regelmäßiger Postkutschendienst eingerichtet, der in den Sommermonaten von Ende Mai bis Mitte September mit folgenden Fahrzeiten funktionierte:

Bozen – Viego: Hin- und Rückfahrt: fl.6.50 kr.
Bozen ab 7:oo über Kardaun ab 7:20, Birchabruck ab 10.50, Welschnofen ab 12:25,  Karersee  ab 14.45, Vigo an 17:15

Es ist schwer, den Wert eines Guldens (fl.) nach dem heutigenKaufwert der Lira zu bemessen. Als Wertmaß mag gelten, dass der Taglohn eines Schwerarbeiters im allgemeinen  1 Gulden betrug, ein Kg Brot kostete 6 Kreuzer, ein Liter Milch 3 Kreuzer. Der Fahrpreis mit der Postkutzsche vonBozen bis Welschnofen kostete damnach mit heutigem Geld (1970) rund 15.000 Lire, heute um die Euro 300 (Anm.d.R.)

Das Karerseehotel wurde nach den damals neuesten Errungenschaften im Hotelwesen und der Fremdenverkehrstechnik erbaut und ausgestattet. So wurde von der „Vereinigung derAlpenhotels“ gleichzeitig mit dem Hotel auch ein hoteleigenes E-Werk gebaut, das den gesamten Hotelkomplex mit dem elektrischen Strom versorgen sollte. Dieses Werk war das erste Elektrizitätswerk überhaupt, das in Tirol erbaut worden war.

Welschnofen selbst musste sich noch eine ganze Weile mit Petroleumlampen oder mit anderen alt hergebrachten Beleuchtungsmitteln behelfen. Erst am 30.November 1911 gründeten 7 Bauern und Gastwirte die „Elektrizitätswerk-Gesallschaft-Welschnofen, G.m.b.H.“.

Zur Erschließung des Karerseegebietes hat sicherlich auch die Nigerstraße viel beigetragen. Während der Kriegsjahre 1916 und 1917  wurde sie durch die Militärverwaltung trassiert, aber nicht fertiggestellt. Sie zweigt vom Hotel Latemar von der Karerpaßstraße ab und führt auf gleicher Höhe mit dem uralten „Heidenweg“ (alter Tierser Weg) an der sagenumsponnen „Brantweinhütte“ vorbei, über den Nigerpaß nach St. Cyprian und Tiers. Sie war als Ausfallstraße gedacht, wenn die Eggentalerstraße einmal unterbrochen sein sollte. Der Bau wurde 1918 eingestellt und erst 30 Jahre später wieder aufgenommen und zu Ende geführt. Während der Kriegsjahre 1916/17 wurden russische Kriegsgefangene als Arbeitskräfte eingesetzt. Etwa 400 m von der Nigerhübe entfernt war eine – heute kaum noch erkennbare – Begräbnisstätte für die armen  verhungerten, erfrorenen oder sonst wie umgekommenen russischen Gefangenen.

Mit der Erschließung des Eggentales durch die neue Eggentalerstraße, wurden zum ersten Mal bestimmte Entwicklungstendenzen der Wirtschaftslage erkennbar, was sich auf die handwerklichen Gewerbe und Berufe auswirkte. Manche der seit Alters her ausgeübten Berufe wurden aufgelassen und sind heute (1970) bereits in Vergessenheit geraten.

Dank der Eggentalerstraße und späterern Dolomitenstraße hat das Eggental und das ehemals „rauhe Viertel“ mit den  „grob und schlecht Leut“ einen viel schnelleren und radikaleren Entwicklungsgang genommen als die übrigen und milderen Viertel des Gerichts Karned.

Ignaz Kircher / Welschnofen
Bozen 1912 – 1995